1 EINFÜHRUNG

Als Komponist und Konzertbesucher von elektronischer bzw. elektroakustischer Musik beschäftige ich mich seit Jahren mit der Aufführungspraxis dieses Genres. „Wie bringt man diese Musik zur Aufführung?“, scheint eine der Grundfragen und eines der Grundprobleme der neuen Musik generell zu sein. Dazu zählt für mich vor allem die Schwierigkeit, performative Gesten und damit in Verbindung stehenden Klang in sinnvolle und produktive Zusammenhänge zu bringen. Anders als bei traditionellen mechanischen Musikinstrumenten ist bei elektronischen Musikinstrumenten und elektronisch bearbeiteten Instrumenten die Klangerzeugung nicht direkt an die Klangsteuerung gekoppelt.
Außerdem passen viele Werke auf mehreren Ebenen nicht mehr in die traditionellen Aufführungsorte. Auf der aufführungspraktischen Ebene stoßen Konzeption und technische Anforderungen vielerorts auf bauliche, visuelle und akustische Unwägbarkeiten. Auf der musikhistorischen Ebene scheint die Aura der Aufführungsorte, die in einer bestimmten Epoche und zum Teil für spezifische Gattungen gebaut wurden, unvereinbar mit der Aura elektronischer bzw. elektroakustischer Musik.
Ein weiteres Problem in der Aufführungspraxis ist die Konservierbarkeit und Reproduzierbarkeit elektronischer Musik. Viele Werke sind gebunden an spezielle technische Standards aus der Zeit, in der sie entstanden sind. Außerdem sind sie eng gebunden an ihre Urheber und zum Teil nur mit diesen vor Ort aufführbar. Hier könnte man eine Annäherung der Musik an die bildende Kunst vermuten, das Werk ist also einmalig und nur durch, beziehungsweise mit, seinem Schöpfer aufführbar. Ebenso lassen sich Parallelen zur Popmusik finden, wo die Musik auch nur vom Künstler selbst aufgeführt wird, alles andere gilt bereits als „Cover“, also als neu interpretierte Reproduktion.
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